Spechtgruppentagung 2015

05. - 07. Juni 2015 in Ascheberg-Davensberg (NRW)


Artenvielfalt im Wald - Spechte und ihre Nachnutzer - Der Tagungsbericht

Nach genau 25 Jahren trafen sich Spechtforscher und Spechtinteressierte zu einer Jubiläumstagung in Ascheberg- Davensberg, NRW. Es war das zweite Mal, dass Nordrhein-Westfalen die Fachgruppe Spechte eingeladen hatte. Ausrichter der Tagung waren die Nordrhein-Westfälische Ornithologengesellschaft (NWO) in Zusammenarbeit mit dem NABU NRW, der Naturschutzstation Münsterland und der Vogelschutzwarte des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV).

Immerhin drei Leute des Nürtinger Treffens 1990 waren auch dieses Mal dabei: Gilberto Pasinelli, Luis Sikora und Klaus Ruge.

Mehr als 60 Spechtforscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich in Ascheberg getroffen (Foto: C. Preuß)
Mehr als 60 Spechtforscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich in Ascheberg getroffen (Foto: C. Preuß)

 

Die meisten unserer Spechte sind Waldbewohner. Und selbst jene Arten wie Grünspecht, Grauspecht oder Wendehals bewohnen lockeren Wald oder waldähnliche Habitate.

Darum liegt es nahe, dass immer wieder Themen, die mit dem Wald in Beziehung stehen, auf dem Tagungsprogramm erscheinen. So lautete das Schwerpunktthema in Davensberg: Spechthöhlen als wichtige Schlüsselrequisiten der Artenvielfalt im Wald.

 

Es ist nicht die Waldmenge an der es in Deutschland mangelt, es ist die Qualität der Wälder. Spechte und viele andere Tiere sind an alte, oft wirtschaftlich nicht konkurrenzfähige Bewirtschaftungsformen angepasst, an buschreiches Gelände, an stufige Waldränder, auch an sehr lichte Wälder. Spechte aber brauchen vor allem alte Wälder als Brut- und Nahrungsraum. In manchen  Bundesländern gibt es für den Staatswald Regelungen, mehr alte, reife Bäume zu erhalten. Dem stehen neue Anforderungen an den Wald gegenüber: die Gewinnung von Holz zum Heizen (Hackschnitzel), die Nutzung von Holz als technischem Rohstoff und gute Preise für den Export fördern den Einschlag von Starkholz.

Darum haben sich die Spechtforscher zusammen mit Forstleuten darüber unterhalten, wie eine auf Zukunft gerichtete Forstwirtschaft möglich ist und trotzdem die biologische Vielfalt im Wald zu erhalten ist. Spechte sind dabei wichtige Anzeiger für die Qualität von Waldlebensräumen.


Die Teilnehmer der Jahrestagung haben zwei Resolutionen verabschiedet.

Zum einen wenden sie sich gegen eine mögliche Aufweichung der EU Richtlinien zum Naturschutz. Würden diese Richtlinien verwässert, würde vermutlich manches Natura 2ooo Gebiet aufgehoben werden können.

In der zweiten Resolution werden Waldeigentümer und Forstleute aufgerufen, im Wirtschaftswald noch stärker auf den Erhalt von Spechtbäumen zu achten.

Inzwischen ist diese Resolution an Ministerien, Verbände, Organisationen und Fachzeitschriften verteilt worden.


Download
RESOLUTION ZUM SCHUTZ DER SPECHTBÄUME IN WIRTSCHAFTSWÄLDER
Resolution der DO-G 2015_download.pdf
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Spannende Vorträge und erlebnisreiche Exkursion

Der Tagungsort befand sich im sogenannten Klei-Münsterland (mit vorherrschend mergeligen Lehmböden), das durch schwere und staunasse Böden charakterisiert ist. Hier wachsen bundesweit bedeutende Eichen-Hainbuchenwälder. Sie bergen eine individuen- und artenreiche Spechtfauna – ein geeigneter Ort also, um sich intensiv mit Spechten zu befassen. 

Spechte sind hochangepasste Waldorganismen und daher wichtige Modellarten für biologische und waldökologische Forschungen und herausgehobene Indikatorarten für Naturschutzvorhaben im Wald. In Europa siedeln 10 Spechtarten, davon leben allein in NRW 7 Arten. Spechthöhlen stellen im Wirtschaftswald – anders als im Naturwald – oft das bedeutendste Baumhöhlenangebot dar, das auch anderen Höhlenbewohnern im Wald zur Verfügung steht. Spechthöhlen sind daher wichtige Schlüsselrequisiten der Artenvielfalt. Nutznießung und Konkurrenz um diese Kernrequisiten sind sowohl biologisch als auch artenschutzfachlich interessante Untersuchungsaspekte. Die Bedeutung der Spechthöhlen, ihrer Verteilung und Häufigkeit für die Spechte selbst, aber auch für Eulen, Fledermäuse und andere Organismen waren ein Schwerpunktthema der Tagung. 

Das umfangreiche, dreitägige Programm (siehe Download weiter unten) behandelte aber noch weitere Themen. Begonnen wurde mit einem NRW-Block, einer Einführung in die Landschaft und ihrer tierischen Bewohner, vor allem - natürlich - der Spechte. In der Davert, FFH- und EU- Vogelschutzgebiet und „gastgebenden“ Landschaft - wachsen bundesweit bedeutende Eichen-Hainbuchenwälder. Mit über 120 Brutpaaren befindet sich hier eines der größten Mittelspechtvorkommen von Nordrhein-Westfalen. 

Das Waldgebiet Davert liegt  im nordrhein-westfälischen Münsterland. Hier wachsen bundesweit bedeutende Eichen-Hainbuchenwälder. Sie bergen eine individuen- und artenreiche Spechtfauna – ein geeigneter Ort also, um sich intensiv mit Spechten zu befassen
Das Waldgebiet Davert liegt im nordrhein-westfälischen Münsterland. Hier wachsen bundesweit bedeutende Eichen-Hainbuchenwälder. Sie bergen eine individuen- und artenreiche Spechtfauna – ein geeigneter Ort also, um sich intensiv mit Spechten zu befassen

 

Charakterisierung und Besonderheiten der Spechtfauna in NRW, Besiedlungsmuster des Mittelspechts in Kleinwäldern des Münsterlandes und die Bestandsentwicklung des Grauspechts im Arnsberger Wald waren weitere Themen des NRW-Blocks. Abgerundet wurde dieser Teil mit zwei Naturschutzthemen: Beitrag der Natura 2000-Gebiete in NRW zum Schutz der Spechtarten des Anhanges I der EU-Vogelschutz-Richtlinie und Konzept des Naturschutzmonitorings in den neuen Wildnisgebieten.

 

Am zweiten Tag mussten die Teilnehmer ein Mammutprogramm an Vorträgen absolvieren. Viele Zuhörer überraschte es, dass in Buntspechtpopulationen bis zu einem Viertel der Weibchen polyandrisch sein können und dadurch ihren eigener Bruterfolg erhöhen. Mehrere Beiträge befassten sich mit Habitatparametern bei verschiedenen Spechtarten.


12 Vorträge waren dem Hauptthema der Tagung gewidmet, der Bedeutung der Spechthöhlen für die Erbauer selbst, aber genauso für die verschiedenen Nutznießer der Spechthöhlen. Spechte benötigen nicht nur eine Höhle zum Brüten, sondern mehrere Höhlen in ihren Brut- und Winterrevieren. Sie übernachten im Verlauf des Jahres in verschiedenen Höhlen und sie benötigen Ausweichhöhlen zur Brutzeit, falls die auserkorene oder neu erbaute Bruthöhle durch Konkurrenten okkupiert oder durch andere Einflüsse unbrauchbar wird. Weit über 100 Arten sind Nutznießer von Spechthöhlen, von Säugetieren und Vögeln über Insekten und Spinnen bis hin zu Pilzen. Es sind nicht nur „Nachfolgearten“, sondern auch gleichzeitige Mitbewohner oder Konkurrenten oder gar Prädatoren, die an und in Spechthöhlen Nahrung suchen. Systematische Untersuchungen mit Fotofallen zeigen, dass selbst Habichte regelmäßig Schwarzspechthöhlen anfliegen können, um am Höhleneingang Beute zu machen. 


Die große Abschlussdiskussion war  dem Thema Schutz der Spechtbäume gewidmet. Dabei wurde klar, dass möglichst alle Spechtbäume erhalten bleiben sollten. Je mehr Spechtbäume im Waldbestand stehen, desto weniger neue Bäume werden von Spechten zur Höhlenanlage genutzt, da manche Spechtarten gern frische Höhlen in vorhandenen Höhlenbäumen anlegen.

Ein reiches Angebot an Spechthöhlen macht den Wald für viele Nachnutzer bewohnbar.

Auch Arten, die bevorzugt in Gruppen bzw. Kolonien siedeln wie Dohlen, Hohltauben und Fledermäuse profitieren von einem reichen Höhlenangebot. Arten, die im Laufe einer Brutsaison Höhlen wechseln, wie manche Fledermausarten, benötigen sogar mehrere passende Höhlen.

Ein weiteres Argument für langfristigen Höhlenerhalt ist die innere Entwicklung der Spechthöhlen. So besiedeln Fledermäuse gerne alte Höhlen, die nach oben hin ausgefault sind.

Besondere Spezialisten unter den Folgearten sind Mauersegler. Sie nehmen Höhlen erst an, wenn sie über 60 Jahre alt sind. Erst dann haben die Höhlen den Zustand erreicht, den Mauersegler bevorzugen.

Vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW wurde das Biotopbaumkonzept für den Staatswald in NRW vorgestellt, das u.a. einen Schutz aller bekannten Höhlenbäume vorsieht. Voraussetzung ist die Markierung der Höhlenbäume, mit der in den Natura 2000 Wäldern im Rahmen der Maßnahmenplanung begonnen werden soll. Intensiv wurde die Notwendigkeit diskutiert, auch in den Privatwäldern stärker als bisher die Höhlenbäume zu schützen. Leider war kein Vertreter des privaten Waldbesitzes der ausdrücklichen Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt. Auch für privaten Waldbesitz gilt das Bundesnaturschutzgesetz und die Diskussion kreiste um die Frage der Gratwanderung zwischen erwünschter Freiwilligkeit von Artenschutzmaßnahmen und der Ultima Ratio des Ordnungsrechtes.


Tagungsteilnehmer bei der Exkursion in der Davert (Foto: B. Fröhlich-Schmitt)
Tagungsteilnehmer bei der Exkursion in der Davert (Foto: B. Fröhlich-Schmitt)
Tagungsteilnehmer bei der Exkursion in der Davert (Foto: Gilberto Pasinelli)
Tagungsteilnehmer bei der Exkursion in der Davert (Foto: Gilberto Pasinelli)


Bei der Abschlussexkursion am dritten Veranstaltungstag unter fachkundiger Leitung des Regionalforstamtes Münsterland und der Naturschutzstation Münsterland durch die Davert zeigten sich die Teilnehmer von diesem bundesweit bedeutenden Tieflandwald mit seinen vielen Spechten und Spechtbäumen beeindruckt.


Download
Tagungsband erschienen im Charadrius
Charadrius 53-Heft 1-2.pdf
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Limericks, die die Tagung dokumentieren
Ein Tagungsgedicht von David Eggeling
TagungsGedicht_David Eggeling.pdf
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Tagungsprogramm der Fachgruppe Spechte
Tagungsprogramm2015.pdf
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Tagungsband 2015

Der 114 Seiten starke Berichtsband der Tagung 2015 der Projektgruppe Spechte der DO-G ist mittlerweile erschienen. Die Beiträge der Tagung sind in dem Doppelheft 1-2 des Charadrius, Jg. 53, 2017 abgedruckt. Neben Aufsätzen zur Spechtbesiedlung in NRW enthält der Tagungsband Abhandlungen zum Monitoring, zur Populationsbiologie und zur Habitatnutzung von Spechten. Die meisten Beiträge behandeln das Schwerpunktthema der Tagung „Spechthöhlen als Schlüsselstrukturen der Artenvielfalt“. So kommen Aspekte wie  Verteilung und Nutzung  von Spechthöhlen, Konkurrenz um Spechthöhlen und Fragen des Schutzes dieser Schlüsselstrukturen zu Wort. Das Heft kann gegen Rechnung zum Tagungsband-Sonderpreis von 10,00 Euro bestellt werden bei der Geschäftsstelle der NWO, Leydelstr. 26, 47802 Krefeld;  E-Mail: huisman-fiegen@nw-ornithologen.de      


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